Schamanismus in der psychosozialen Begleitung: Eine persönliche und wissenschaftliche Perspektive
- Janine Zika
- 23. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

Zwischen Wirtschaft, Psychotherapie und Spiritualität
Seit fast 15 Jahren war ich im Personalwesen tätig, habe einen Magister in Wirtschaftswissenschaften, begleite Menschen ehrenamtlich im Hospiz, bin diplomierte Lebens- und Sozialberaterin und aktuell in Ausbildung zur Psychotherapeutin. Diese Erfahrungen prägen meine Arbeit in der psychosozialen Begleitung – und sie schließen die schamanische Praxis, als tiefgehende Haltung, bewusst mit ein.
Immer wieder stoße ich auf kritische Fragen: „Wie passt Schamanismus in ein professionelles Setting?“ – Meine Antwort: sehr gut. Denn Schamanismus ist nicht esoterischer Zusatz, sondern eine tief verwurzelte, kulturübergreifende Heilmethode, die auch in der modernen Psychotherapie Spuren hinterlassen hat.
Schamanismus als älteste Heilmethode der Menschheit

Schamanismus gilt als die älteste bekannte Form spiritueller Heilung – mit Ursprüngen, die über 40.000 Jahre zurückreichen und auf allen Kontinenten praktiziert wurden. Die Foundation for Shamanic Studies beschreibt Schamanismus als ganzheitliche Heilmethode, die sowohl körperliche als auch seelische Dimensionen berücksichtigt. Dabei steht die spirituelle Ursache von Krankheit im Fokus – ein Ansatz, der in vielen psychotherapeutischen Verfahren wiederzufinden ist (Mokelke, 2020).
Obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Schamanismus nicht als medizinische Therapieform zertifiziert, wird er in der globalen Gesundheitsdiskussion als kulturell bedeutende Heiltradition anerkannt. In der WHO-Publikation Traditional Medicine Strategy 2014–2023 wird betont, dass indigene Heilmethoden – darunter auch schamanische Praktiken – weltweit eine wichtige Rolle in der Gesundheitsversorgung spielen (World Health Organization, 2013).
Psychotherapeutische Methoden mit schamanischen Wurzeln

Viele Interventionen der modernen Psychotherapie – etwa Aufstellungsarbeit, Trancearbeit oder imaginative Verfahren – haben ihre Wurzeln in Ritualen indigener Kulturen. Der Anthropologe Michael Winkelman zeigt in seiner Studie, dass schamanische Rituale neurobiologische Prozesse aktivieren, die Selbstregulation, soziale Bindung und Heilung fördern.
Er argumentiert, dass viele spirituelle und therapeutische Rituale evolutionäre Wurzeln in schamanischen Praktiken haben (Winkelman, 2010).
Meine persönliche Definition von Schamanismus
Für mich ist Schamanismus keine Technik, sondern eine Haltung. Es ist die tiefe Verbundenheit mit sich selbst, der Natur und dem sozialen Umfeld. Es ist die Offenheit für das Nicht-Sichtbare – für die inneren Erlebniswelten, die sich nicht immer rational erklären lassen.
Schamanismus bedeutet für mich:
Selbstwahrnehmung und Intuition als Wegweiser
Naturverbundenheit als Ressource
Respekt vor individuellen Wirklichkeiten
Integration von Leben und Tod als Teil eines großes Kreislaufes
Diese Haltung fließt in meine psychosoziale Begleitung ein – nicht als dogmatischer Ansatz, sondern als Einladung zur Ganzheitlichkeit.

Laufe ich mit Federn am Kopf und brennenden Kräuterbündeln durch den Wald? Nein. Verurteile ich es, wenn andere das tun? Ebenfalls nein – solange es aus einem authentischen, respektvollen Raum kommt. Wird man bei mir sofort merken, dass ich auch schamanisch ausgebildet bin? Wahrscheinlich nicht. Denn dieses Wissen lebt in mir als zusätzliche Perspektive – nicht als äußere Inszenierung, sondern als innere Haltung, die meine Arbeit still und tief durchdringt.
Ein Appell für Differenzierung und Eigenverantwortung
In jeder Profession – ob Medizin, Psychotherapie, Wirtschaft oder Politik– gibt es Menschen, die ihre Position missbrauchen. Das ist eine traurige Realität, aber kein Grund, ganze Berufsgruppen oder Methoden pauschal zu verurteilen. Es liegt an uns selbst, mit Achtsamkeit und Eigenverantwortung zu prüfen, wem wir uns anvertrauen. Pauschale Ablehnung verhindert oft, dass wir wertvolle Erfahrungen machen dürfen. Differenzierung hingehen dient uns als ein Schlüssel zu echter Begegnung.
Fazit: Wissenschaft und Spiritualität schließen sich nicht aus
Schamanismus ist kein Widerspruch zur professionellen psychosozialen Arbeit – sondern eine Erweiterung. Er bietet einen Zugang zu Heilung, der über das Sichtbare hinausgeht und dennoch tief im Menschsein verwurzelt ist. Ich stehe für eine integrative Praxis, die Wissenschaft und Spiritualität miteinander verbindet, da wo gewünscht – weil Heilung* viele Sprachen spricht. *Heilung verstehe ich als einen Prozess, der den individuellen Seinszustand – aus Sicht der betroffenen Person – subjektiv verbessert. Es geht nicht um ein objektives „Ganzwerden“, sondern um das Erleben von mehr Lebensqualität, mehr Freude, mehr innerer Stimmigkeit.
Literaturverzeichnis
Mokelke, S. (2020). Shamanic Healing as a Profession. Foundation for Shamanic Studies. https://www.shamanism.org/fss-polestar-shamanism-as-a-profession
Winkelman, M. (2010). Shamanism and the Origins of Spirituality and Ritual Healing. Academia.edu. https://www.academia.edu/4165456/Shamanism_and_the_Origins_of_Spirituality_and_Ritual_Healing
World Health Organization. (2013). WHO Traditional Medicine Strategy: 2014–2023. https://www.who.int/publications/i/item/9789241506096


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